Klar zum gendern?


In der Piratenpartei tobt die Genderdebatte als Sturm im Wasserglas. Es begann mit einer Pressemitteilung der »Piratinnen« (Im Namen der Partei, auch von Nicht-Piraten geschrieben), die von taz und Spiegel-online aufgegriffen wurden. Ich war drauf und dran, mich mit den Piratinnen zu sympathisieren. Wenn Frauen sagen, sie wollen die Bezeichnung Piratin für sich, wer wäre ich denn, dem zu widersprechen?

Als Informatiker weiß ich, dass es Frauen in Männerrunden schwer haben, selbst wenn die Männer es gut mit ihnen meinen. Das freudige Trarah um die Tatsache, dass sich mal eine Frau – vielleicht noch eine attraktive – ins Informatikstudium verirrt hat, kann genauso nervern wie abfällige Bemerkungen. Vielleicht sitzt diese Frau einfach nur in der Runde, weil sie mal Bock hat, mit Leuten über Betriebssysteme zu quatschen, denen sie nicht erst erklären muss, was das ist. Das hat für manchen Nerd einen solchen Appeal, dass er es nicht lassen kann, diese Frau als Freundin gewinnen zu wollen. Statt mal richtig über Linux zu lästern oder über Windows zu witzeln, muss sie sich der Annäherungsversuche erwehren. Auch ich musste auch erst lernen, das die Charmoffensive an dieser Stelle auch mal zu Hause bleiben darf.

Nur leider verdirbt einem die weitere Beschäftigung mit den »Piratinnen« die Lust, insbesondere wenn man sich mit den Positionen von Isi befasst. Sie wälzt sich genüsslich in den geistigen Ausfällen, die KrautChan-Pubertierer produzieren, weil sie ja jetzt den Beweis für die Boshaftigkeit der Männer hat. Da geht es doch um etwas Anderes als die korrekte Bezeichnung für weibliche Piraten – da steht die Verteufelung der Männer auf der Agenda. Tut mir leid, mit dem Feinbild Mann ist keine Gleichberechtigung zu machen.

biologisches und grammatikalisches Geschlecht

Dass immer noch so viele das grammatikalische Geschlecht mit dem biologischen verwechseln, will mir auch nicht so recht in den Kopf. Das grammatikalische Geschlecht ist eine Eigenschaft des Wortes. Diese Eigenschaft könnte statt Geschlecht auch Farbe heißen. Rote Worte bekämen den bestimmten Artikel der, blaue das, gelbe die – wäre dann die Diskussion überflüssig? Der Plural wäre Orange, was sogar logisch im Sinne der (subtraktiven) Farbmischung wäre. Ein Plural der Frauen ausschließt, wäre dann violett. Männerausschluss wäre grün.

Dass es der Pirat heißt, liegt einzig und allein daran, dass das Wort »Pirat« nunmal grammatikalisch männlich ist. Das hat rein gar nichts mit dem Geschlecht der Parteimitglieder zu tun. Es gibt ja auch andere Worte mit grammatikalischen Geschlechtern, die nichts mit dem biologischen Geschlecht zu tun haben:

Daraus wollte man ja nun auch nicht Schlussfolgern, Frauen sollten lieber Bahn fahren und Männer eher Bus.

Mein Fazit: die Piraten sind ins Sachen Gleichberechtigung weiter als Andere, schon weil beim Parteieintritt das Geschlecht gar nicht erfasst wird. Ich glaube wir sind auch weiter als die »Piratinnen«. Das heißt natürlich nicht, dass wir am Ziel angelangt sind. Bei uns sind die Fragestellungen nur andere. Gibt es bei piratigen Wahlen vielleicht einen Frauenbonus – ist eine Frau bei den Piraten vielleicht schon automatisch so gut wie gewählt, wenn sie nur auf dem Wahlzettel steht? Wie gehen wir Crews und Kreisverbänden mit den weiblichen Piraten um. Gibt es da Bemerkungen wie »endlich mal ’ne Frau…«?

Also Piraten, haltet die Augen offen und lebt die Gleichberechtigung.


9 Antworten zu “Klar zum gendern?”

  1. Gucke mal, warum nennt sich Angela Merkel „die Bundeskanzlerin“? Ginge es um den Artikel davor, würde der doch reichen: die Bundeskanzler. Komisch, oder? Klingt wie Mehrzahl von Mann. Aber nein, Artikel reicht nicht, so wie auch der Artikel eben variiert, in der Mehrzahl werdne oft auch Männer weiblich…*gg* Der Bundeskanzlerin ist aber irgendwie blöd und es gäbe Proteste, wie bei der virtuellen Entmannung von Westerwelle. Einer virtuellen Entfrauung der Piratinnen möchtest du aber nur szu gern beiwohnen und schiebst es dann auf irgendeinen Artikel und entschuldigst dich mit mangelhaften Deutschkenntnissen. Das kann´s doch nicht sein. Angela kann ja froh sein, dass sie kein Piratin ist, sie hieße dann ja Kanzler.

  2. Artikel 62 GG: Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern.

    Da steht nichts von einer Bundeskanzlerin und trotzdem besetzt Frau Merkel diesen Posten. (Ob sie die dazugehörige Aufgabe erfüllt, möge jeder selbst bewerten.) Es käme auch niemand auf die Idee, ihr die Berechtigung abzusprechen, weil eine BundeskanzlerIN nicht im GG erwähnt ist.

    Sowohl der bestimmmte Artikel Singular feminin als auch der bestimmte Artikel Plural lauten „die“ Davon werden die Piraten auch nicht weiblich. Ich will mich ja gerade nicht am grammatikalischen Geschlecht hochziehen, bloß weil im Deutschen Genus und Sexus »Geschlecht« heißen.

    Die „Entfrauung“ der Piraten und dass ich dieser beiwohnen wollte, sind eine Unterstellung von dir. Ich schiebe auch nichts auf einen Artikel, ich gebe nur die Quelle meines Beispiels und einen lesenswerten Artikel an – das tut man so.

    Und auch wenn die neue Rechtschreibung und deren Reformen mich manchmal verunsichern, sind meine Deutschkenntnisse durchaus nicht schlecht. Danke. Ich habe übrigens noch einen Tippfehler entdeckt; den werde ich gleich korrigieren.

  3. „Artikel 62 GG: Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern.“

    Bundeskanzler ist eine Funktion wie Amtsvorsteher, nur wer sie bekleidet, mit welchem Geschlecht, entscheidet darüber ob es Bundeskanzler G. Schröder und Bundeskanzlerin A. Merkel ist. Ansonst ‚Bundeskanzler‘ eine Amtsbezeichnung – Piraten ist aber weder eine Funktion noch eine Amtsbezeichnung, sondern: „Die in der Piratenpartei Deutschland organisierten Mitglieder werden geschlechtsneutral als Piraten bezeichnet.“ Und genau so wie Frau Merkel diesen Posten des Bundeskanzlers besetzt, obwohl sie eine Frau ist, so sind auch in der PPD Frauen Mitglieder, aber die sollen dort eben (anders als Frau Merkel) sich nicht mit einer weiblichen zu erkennen geben. Das ist schon dreist. Fast so also würde jemand argumentieren, dass wegen des § 62 GG Frau Merkel in Funktion des Bundeskanzlers nun „geschlechtsneutral“ mit Bundeskanzler statt Bundeskanzlerin angesprochen werden muß. Eine Koalition mit der CDU können die Piraten also glatt vergessen, denn die ist viel zu radikalfeministisch – aber weiter rechts wird sich sicher noch was finden, deren Frauenbild perfekt zu den „Piratenprinzipien“ paßt.

  4. Quote: „[…] einige der wichtigsten Persönlichkeiten der deutschen Piraten sind Frauen – und werden durch diese Diskussion meines Erachtens nach schwachgeredet. […]“

    Bericht: Wer sind eigentlich „die Piratinnen“?
    http://bit.ly/apcwNO

  5. @ Name required:
    „Und genau so wie Frau Merkel diesen Posten des Bundeskanzlers besetzt, obwohl sie eine Frau ist, so sind auch in der PPD Frauen Mitglieder, aber die sollen dort eben (anders als Frau Merkel) sich nicht mit einer weiblichen zu erkennen geben. Das ist schon dreist. “

    Das ist falsch und war auch nie richtig. Keine Ahnung, wer diese Gerüchte streut, aber selbstverständlich darf jede(r) sich Piratin nennen (in Berlin tun das z.B. die Mitglieder einer gesamtem Crew, inkl. Männer) und durfte das auch schon immer. Die Debatte dreht sich nur um Satzung und Parteiname, nicht um die Gruppe. Wir schreiben niemandem seine Selbstbezeichnung vor, das wäre auch ganz und gar unpiratisch.

  6. „statt mal richtig über Linux zu lästern oder über Windows zu witzeln, muss sie sich der Annäherungsversuche erwehren“:
    Du musst nicht von Dir auf andere schliessen!

    Dieser ganze Schwachsinn bestätigt duch nur, das Politik wegen Leuten wie Lena und Dir, zum Scheitern verurteilt ist…..

  7. @echter Informatiker: hab ich nicht geschrieben, dass ich diese Lektion gelernt habe? Wenn du schon immer richtig(TM) mit Frauen umgegangen bist, dann ist das ja schön. Sehr viele machen es trotzdem immer noch falsch.

    Und warum jetzt Politik im Allgemeinen wegen Lena und mir zum Scheitern verurteilt ist, erschließt sich mir aus deinem kurzen Beitrag nicht so recht. Lena war ja nichtmal Thema hier. Ich wüßte gern, was man mir vorwirft.