Das Modell Herbertstraße


Soeben hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf gebilligt, der es erlaubt, Webseiten zu sperren, wenn deren Inhalt in Deutschland illegal ist – zum Beispiel Kinderpornografie dort angeboten wird. Das klingt nach einer vernünftigen Idee – aber nur auf den ersten Blick. Denn das ist nur das Modell Hamburg-Herbertstraße, angewendet auf das Internet.

Sichtblenden vor den schmutzigen Stellen, ein Sperrbezirk im Internet sind nur Augenwischerei. Schon vor ein paar Tagen hat Familienministerin Ursula v.d. Leyen mit den Fünf größten Internetprovidern Verträge geschlossen, die DNS-Sperren ermöglichen sollen. Das Problem dabei ist, dass diese Sperren reichlich wirkungslos sind: eine einfache Umkonfiguration der heimischen Internetverbindung, die ein Laie mit dem Handbuch seines Routers hinbekommt, setzt sie außer Kraft. Einfach einen anderen Nameserver (DNS-Server) als den des eigenen Providers eintragen.

Aber die Sperren habe noch einen anderen systembedingten Fehler: Sie verhindern gar nichts! Nur weil man ohne den kleinen zusätzlichen Aufwand statt der zensierten Seite nur noch ein Stoppschild sieht, ist noch keinem Kind geholfen. Hinter dem Stoppschild geht das Leiden weiter. Aus den Augen, aus dem Sinn – aber der brave Bürger wird nicht mehr davon belästigt. In Zukunft wird wohl nichts mehr gegen Serverbetreiber unternommen. Findet jemand eine illegale Seite, wird sie auf die Sperrliste gesetzt und der Fall ist erledigt, kommt zu den Akten – aber nicht in die Kriminalstatistik, damit man diese nicht versaut.

Der Vertrag, den Frau von der Leyen da geschlossen hat, kann nicht wirksam sein, denn solche Sachverhalte sind nicht durch Verträge regelbar. Die Regierung kann ja auch nicht einen Vertrag mit der Polizei schließen, dass die ab sofort auch öffentliche Meinungsäußerungen verfolgt. Da müsste schon ein Gesetz her, das dann hoffentlich vor dem Bundesverfassungsgericht kassiert würde.

Ein Gesetz(-entwurf) muss sich aber an ein paar Spielregeln halten: Es muss geeignet sein – d.h. das Ziel des Gesetzes muss sich mit den beschlossenen Regeln und Maßnahmen erreichen lassen. Dass dem nicht so ist, darüber sind sich alle Experten einig.

Verhältnismäßigkeit ist eine weitere Anforderung. Ein Gesetz darf nicht anordnen, allen Bürgern die Hände zu amputieren, damit sie nicht stehlen. Die Zensur, die die Regierung einzurichten vorhat, ist aber unverhältnismäßig. Mit DNS-Sperren verwehrt man den Zugang zu ganzen Servern, die unterschiedlichste Informationen bereithalten können. Schiebt man nun einem großen Anbieter von Webdiensten etwas unter, landet eventuell der ganze Dienst auf der Sperrliste. Wenn die Leute dann Yahoo oder Web.de nicht mehr erreichen können, ist das Geschrei sicher groß. So lässt sich auch unliebsame Konkurenz ausschalten oder so manche unbequeme Meinung unterdrücken. Anonym Bilder zweifelhaften Charakters hochladen (es muss ja nur illegal genug aussehen), anonym anzeigen, ganz unheimlich freuen.

Was der ganzen Sache noch die Krone aufsetzt, ist die Tatsache, dass die Sperrliste geheim beim BKA verwaltet werden soll. Es existiert keine Kontrolle darüber, welche Seiten darauf gelangen oder wann und wie sie wieder davon herunterkommen. Und was ein Herr Ziercke von demokratischen Grundsätzen oder gar Kontrolle hält, hat er in der Diskussion um den Bundestrojaner schon deutlich gezeigt.

Unbequeme Meinungen über das BKA könnten auch ganz schnell auf der Zensurliste landen. Oder Tipps, wie man Hartz4 so beantragt, dass man auch alles bekommt, was einem zusteht. Oder wie man sich bei Hausdurchsuchungen verhält. Oder Videos von Polizisten, die auf Demos prügeln. Ohne Kontrolle ist die Zensur die Spielwiese von Schäuble, Ziercke und Co. Na danke

Zum Schluss muss noch die Frage erlaubt sein, warum es denn ein Stoppschild ist? Warum adoptieren wir nicht gleich die niedlichen Internetpolizisten aus China?

chinesische Internetpolizisten
chinesische Internetpolizisten